Eigentlich müsste ich mittlerweile "Experte für Gemüseanbau" auf meine Visitenkarte schreiben. Denn nach
Deutschland und den
Niederlanden ging es nun in die nächste Hochburg des Gemüseanbaus. Ich rede von Spanien, genauer gesagt der Region rund um Almería. Aus dem Flugzeug sah ich dann auch sofort die Gewächshäuser. Eng an eng und so weit das Auge reicht: Ein Plastikmeer. Beeindruckend, aber auch etwas beängstigend.
Aber zurück zum Gemüse. Bereits in meinem Artikel über den
Gemüseanbau in den Niederlanden habe ich über die Auswirkungen der EHEC-Krise geschrieben. Die beschriebenen Auswirkungen betrafen den gesamten europäischen Markt. Somit erlitt auch die Obst- und Gemüsewirtschaft in Spanien starke Verluste. Die Skepsis gegenüber der Qualität von Gemüse war einfach so unfassbar groß. Schließlich war man sich komplett unsicher, ob sich da nicht doch ein paar Pestizide, Keime oder andere schädliche Stoffe auf dem Gemüse tummeln. Wer weiß schon, was die da in Spanien so treiben? Durch die Kampagne "
We care, you enjoy" versucht die europäische Union nun den Verkauf von Gemüse in der EU anzukurbeln und transparent zu zeigen, was die da in Spanien nun wirklich so treiben.
Auf jeden Fall eine super Sache - schließlich hat Gemüse aus den Niederlanden schon ein schlechtes Image, aber Gemüse aus Spanien? Das doch wohl erst recht.
Aber fangen wir erst einmal bei Null an und fragen uns, warum eigentlich gerade im Süden Spaniens so viel Gemüse angebaut wird? Ich meine, warum wird in einem Gebiet Gemüse angebaut, in dem es quasi nie Regen gibt? Naja, die Antwort liegt eigentlich auf der Hand: Weil es quasi nie Regen gibt. In der wüstenartigen Region scheint so viel Sonne, dass die Tomaten und Gurken um die Wette wachsen können. Das Wasser bekommt man auch ohne Regen. Es gibt doch bestimmt irgendwo Flüsse oder Talspeeren? Ach und bestimmt noch mehr Grundwasser, was man über Brunnen abzapfen kann, oder nicht? Naja, es gibt zwar unterirdische Wasseradern, das Problem ist aber, man kann das Grundwasser eben nicht ohne Ende "abpumpen". Irgendwann ist da einfach Schicht im Schacht, wie bei allen Ressourcen ist auch diese Ressource nur endlich. Darum bin ich generell etwas kritisch gegenüber dem Gemüseanbau in Spanien eingestellt.
Als ich nun aber in einem Anbaubetrieb in Spanien stand, musste ich feststellen, dass hier nicht wahllos mit dem Gartenschlauch die Pflanzen bespritzt werden, sondern sehr gezielt und sehr sparsam mit einem Tröpfchensystem bewässert wird. Das Wasser, welches die Pflanze nicht aufnimmt, wird aufgefangen, gesäubert und recycelt, um damit die Pflanzen erneut zu bewässern. Das löst das Problem mit dem Grundwasser zwar nicht, aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Abgesehen vom Wasserverbrauch war ich auch sehr positiv vom hohem Qualitätsstandard der Produktion überrascht. Genau wie in Deutschland oder den Niederlanden werden Hummeln für die Bestäubung und Nützlinge gegen die Schädlinge eingesetzt. Es wird also komplett auf Pestizide und andere Gifte verzichtet. Die Tomaten werden per Hand geerntet, in zentrale Lager transportiert und von dort aus verpackt und in die Welt verschickt. Bei dieser Produktion werden äußerst strenge Hygienestandards eingehalten. Also könnt ihr wirklich guten Gewissens in eine spanische Tomate hineinbeißen, da passiert dann gar nüschts.
Allerdings müssen die Tomaten mit einer sehr hellroten Färbung geerntet werden, damit sie schön rot im deutschem Supermarkt liegen. Denn bis nach Deutschland braucht das Gemüse mindestens 3-4 Tage und kann in dieser Zeit noch etwas nachreifen. Trotzdem fehlt so natürlich etwas Aroma und ob ein Transport quer durch Europa ethisch vertretbar ist, ist noch einmal eine ganz andere Frage.
Kommen wir aber wieder zu einem sehr positivem Punkt: In der Region fällt nicht gerade wenig organischer Abfall an und ein pfiffiger Mann kam daher auf die Idee, aus diesem Abfall hochwertigen Dünger zu machen. Also kaufte er sich ein paar äußerst leistungsstarke Würmer aus Kalifornien ein und ließ diese für sich arbeiten. Die Würmer fressen nun Tag ein, Tag aus, den Abfall und scheiden diesen als Dünger wieder aus. Allerdings dauert der Prozess von Anlieferung des Abfalls bis zum Dünger auch ca. 2 Jahre. Naja, man kennt das ja vielleicht aus dem eigenen Garten. Denn im Grunde, ist es nichts anderes als ein Komposthaufen in etwas größeren Dimensionen. Fand ich auf jeden Fall eine richtig dufte Sache und hoffentlich wird sich diese Idee durchsetzen und bald alle Gemüseanbauer nur noch solchen Dünger verwenden.
So, nun kommt das große Fazit. Wie sieht es denn nun aus, sollten wir Gemüse aus Spanien kaufen oder besser doch nicht?
Wir können festhalten, dass sich der Slogan "We care, you enjoy" auf jeden Fall erfüllt. An der Qualität des Gemüses ist nichts auszusetzen. Die Gemüseanbauer vor Ort sind mit Leidenschaft dabei und sie legen sehr großen Wert auf eine "saubere" Arbeit, verzichten alle auf Pestizide, halten hohe Hygienestandards ein und manche nutzen darüber hinaus sogar "Ökodünger". Es ist also nahezu Bio, was dort angebaut wird. Darum muss auch niemand Angst vor Keimen oder krankheitsauslösenden Stoffen haben, die einen anspringen könnten.
Ethisch gesehen ist es aber schon schwieriger die Titelfrage zu beantworten. Lange Transportwege und Anbau in einer Wüstengegend? Muss das wirklich sein? Auf der anderen Seite leben diese Menschen von ihrer Arbeit und sind auf den Verkauf von Gemüse in die ganze Welt angewiesen.
Es ist also schwierig ein klares "Ja!" oder ein klares "Nein!" unter diesen Artikel zu setzen. Am Ende muss es dann doch jeder für sich selbst entscheiden. Aber ich finde, bevor man zu Tomaten aus Marokko greift und in Deutschland gerade keine Tomatensaison ist, kann man auch ruhig einmal zu Tomaten aus Spanien greifen, oder wie seht ihr das?